Anmerkung 4
Es geht aus dem Bisherigen hervor, welche Bewandtnis es mit der Dialektik gegen den Anfang der Welt, auch deren Untergang hat, wodurch die Ewigkeit der Materie erwiesen werden sollte, d. i. mit der Dialektik gegen das Werden, Entstehen oder Vergehen überhaupt. - Die Kantische Antinomie über die Endlichkeit oder Unendlichkeit der Welt in Raum und Zeit wird unten bei dem Begriffe der quantitativen Unendlichkeit näher betrachtet werden. - Jene einfache gewöhnliche Dialektik beruht auf dem Festhalten des Gegensatzes von Sein und Nichts. Es wird auf folgende Art bewiesen, daß kein Anfang der Welt oder von Etwas möglich sei:
Es kann nichts anfangen, weder insofern etwas ist, noch insofern es nicht ist; denn insofern es ist, fängt es nicht erst an; insofern es aber nicht ist, fängt es auch nicht an. - Wenn die Welt oder Etwas angefangen haben sollte, so hätte sie im Nichts angefangen, aber im Nichts oder das Nichts ist nicht Anfang; denn Anfang schließt ein Sein in sich, aber das Nichts enthält kein Sein. Nichts ist nur Nichts. In einem Grunde, Ursache usw., wenn das Nichts so bestimmt wird, ist eine Affirmation, Sein enthalten. - Aus demselben Grunde kann auch Etwas nicht aufhören. Denn so müßte das Sein das Nichts enthalten; Sein aber ist nur Sein, nicht das Gegenteil seiner selbst.
Es erhellt, daß hierin gegen das Werden, oder Anfangen und Aufhören, diese Einheit des Seins und Nichts, nichts vorgebracht wird, als sie assertorisch zu leugnen und dem Sein und Nichts, jedem getrennt von dem anderen, Wahrheit zuzuschreiben. - Diese Dialektik ist jedoch wenigstens konsequenter als das reflektierende Vorstellen. Ihm gilt es für vollkommene Wahrheit, daß Sein und Nichts nur getrennt seien; auf der andern Seite aber läßt es ein Anfangen und Aufhören als ebenso wahrhafte Bestimmungen gelten; in diesen aber nimmt es die Ungetrenntheit des Seins und Nichts faktisch an.
Bei der Voraussetzung der absoluten Geschiedenheit des Seins vom Nichts ist - was man so oft hört - der Anfang oder das Werden allerdings etwas Unbegreifliches; denn man macht eine Voraussetzung, welche den Anfang oder das Werden aufhebt, das man doch wieder zugibt, und dieser Widerspruch, den man selbst setzt und dessen Auflösung [man] unmöglich macht, heißt das Unbegreifliche.
Das Angeführte ist auch dieselbe Dialektik, die der Verstand gegen den Begriff braucht, den die höhere Analysis von den unendlich-kleinen Größen gibt. Von diesem Begriffe wird weiter unten ausführlicher gehandelt. - Diese Größen sind als solche bestimmt worden, die in ihrem Verschwinden sind, nicht vor ihrem Verschwinden, denn alsdann sind sie endliche Größen, - nicht nach ihrem Verschwinden, denn alsdann sie sie nichts. Gegen diesen reinen Begriff ist eingewendet und immer wiederholt worden, daß solche Größen entweder Etwas seien oder Nichts; daß es keinen Mittelzustand (Zustand ist hier ein unpassender, barbarischer Ausdruck) zwischen Sein und Nichtsein gebe. - Es ist hierbei gleichfalls die absolute Trennung des Seins und Nichts angenommen. Dagegen ist aber gezeigt worden, daß Sein und Nichts in der Tat dasselbe sind oder, um in jener Sprache zu sprechen, daß es gar nichts gibt, das nicht ein Mittelzustand zwischen Sein und Nichts ist. Die Mathematik hat ihre glänzenden Erfolge der Annahme jener Bestimmung, welcher der Verstand widerspricht, zu danken.
Das angeführte Räsonnement, das die falsche Voraussetzung der absoluten Getrenntheit des Seins und Nichtseins macht und bei derselben stehenbleibt, ist nicht Dialektik, sondern Sophisterei zu nennen. Denn Sophisterei ist ein Räsonnement aus einer grundlosen Voraussetzung, die man ohne Kritik und unbesonnen gelten läßt; Dialektik aber nennen wir die höhere vernünftige Bewegung, in welche solche schlechthin getrennt Scheinende durch sich selbst, durch das, was sie sind, ineinander übergehen, die Voraussetzung [ihrer Getrenntheit] sich aufhebt. Es ist die dialektische immanente Natur des Seins und Nichts selbst, daß sie ihre Einheit, das Werden, als ihre Wahrheit zeigen.
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Anmerkung 2 >Es ist weiter ein anderer Grund anzuführen, welcher zu dem Widerwillen gegen den Satz über Sein und Nichts behilflich ist; ... >>>
Anmerkung 3
>Die Einheit, deren Momente, Sein und Nichts, als untrennbare sind, ist von ihnen selbst zugleich verschieden,... >>>
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